„Das Problem mit Filmstars ist dasselbe wie mit den Royals. Sie werden nicht nach ihrer Qualität beurteilt, sondern nach ihrem Status.“ Dieses geistreiche Zitat stammt nicht von einem Kulturanthropologie-Studenten im zweiten Semester, wie man vielleicht denken könnte. Und von einem unserer verkopften Filmkritiker kommt es auch nicht. Nein, einer der großen Schauspiel-Titanen selbst ist dafür verantwortlich: Kevin Costner.
Der Status zählt also, nicht die Qualität. Aber was bedeutet das schon, „der Status“? Der soziale Status des Schauspielers? Sein Stand in der Gesellschaftsordnung? Die Anzahl der Millionen auf dem Off-Shore-Konto? Wie gut die Filme sind, in der der Schauspieler zu sehen ist?
Ganz schön subjektiv. Es soll ja auch Leute geben, die Uwe Boll Filme gut finden. Am besten wäre es da, wenn man den Status des Stars einfach an der Menge der Filme, in denen er mitgewirkt hat, bemisst. Das ist simple und überschaubare Mathematik, kein Rumgefische in den trüben Gewässern der Philosophie.
Nach Anwendung dieser kommt man auf ein eindeutiges Ergebnis: Der größte Star von allen ist unsichtbar! Man könnte vermutlich behaupten, dass du, solange du schon mal irgendeinen Hollywood-Film gesehen hast, ihn kennst.
Er ist nämlich der berühmteste Schrei der Filmgeschichte und hört auf den Namen „Wilhelmsschrei“. Eine wahre Legende der Soundeffekte, denn mit einem Dienstalter von 77 Jahren und unfassbaren 439 (bisher gezählten) Verwendungen ist er mit Sicherheit die Numero Uno.
Von Stock auf Stein zum perfekten Sounddesign
Soundeffekte sind im Grunde so alt wie das darstellende Spiel selbst. Schon im antiken Griechenland benutzten die weisen Toga-Träger die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel, um den Theaterstücken etwas mehr Ausdruck zu verleihen.
Meistens wurde dabei allerdings nur hinter der Leinwand mit einem Stock auf einen Stein oder ähnliches geknüppelt, aber der Effekt ist derselbe: Dem Schauspiel wird Realismus hinzugefügt, es wird glaubhafter. Wenn auf der Bühne ein sagenhafter Held vom Zorn des Zeus erschlagen wird, bleibt es definitiv besser in Erinnerung, wenn es dazu ordentlich knallt.
In Zeiten des Stummfilms wurde die Aufgabe des Lärmens schließlich von der Kinoorgel übernommen. Was der Unterschied zur herkömmlichen Orgel ist, fragst du dich? Ganz einfach: Sie kann mit weniger Pfeifen sehr viel mehr Register realisieren (Tastenfachjargon für alle Pfeifen im Instrument mit derselben Klangfarbe), womit sie fast wie ein ganzes Orchester klingen kann. Außerdem ist es mit ihr möglich, andere Effekte zu erzeugen. Zum Beispiel Donnergrollen, eine Telefonklingel oder das Tuten einer Dampflok.
Diese charmante Art der „Live-Soundeffekte“ dauerte aber nicht lange. Im Laufe der Zeit nahm die Qualität der Audioaufnahme und -wiedergabe rapide zu, genau wie die Nachfrage nach einer größeren Vielfalt spezieller Sounds.
Anstatt beispielsweise einen generischen Schuss zu verwenden, konnte ein Filmproduzent einen Schuss von einem bestimmten Waffentyp bei einem Sounddesigner anfordern (damals war das noch nichts, was man Jahre studiert hat, sondern vielmehr etwas, an dem man sich ausprobierte), der unter präzisen Bedingungen abgefeuert wird. Der Zugang zu „echten“ Soundeffekten wurde immer wichtiger.
Deshalb gab es schon bald richtige Bibliotheken für Sounds, die man im Film verwenden konnte. Sogenannte Stock-Soundeffects. Da gab es alles, sowohl echt aufgenommene Sounds, z.B. von Tieren, als auch eine Riesenpalette künstlicher Sounds. Allerdings wurden einige Sounds beliebter als andere und wurden so oft wiederverwendet, dass sie leicht erkennbar und meistens ein absolutes Klischee wurden.
„AAAAAAARRRGGH!!!“
So wie unser eingangs erwähnter Star, der Wilhelmsschrei. Zum ersten Mal konnten Kinobesucher das Gekreische im – ansonsten absolut vergessenswürdigen – Western Die Teufelsbrigade von 1951 hören.
In einer Szene marschiert die namensgebende Teufelsbrigade durch die Sümpfe Floridas, wobei einer der armen Teufel von einem ortsansässigen Alligator verspeist wird. Ihm (also dem Brigaden, nicht dem Kroko!) bleibt nichts anderes übrig, als seinen Frust über diese unangenehme Situation in Form eines ikonischen Schreis auszuformulieren.
Nach der Produktion kam das Band in eins der Sound-Archive, einer Rolle mit der simplen, aber aussagekräftigen Aufschrift „man getting bit by an alligator, and he screamed“.
Seltsamerweise war weder der Name der Rolle noch die des Darstellers Wilhelm, denn der Tote, der diesen Rollennamen trug, starb erst zwei Jahre später in Der Brennende Pfeil.
In diesem ebenso unwichtigen Western wurde ein gewisser Private Wilhelm mit einem – wie könnte es bei diesem Titel auch anders sein – Pfeil vom Pferd geholt, wobei er ebenfalls den ikonischen Schrei losließ.
Seitdem trägt dieser den Namen „Wilhelmsschei“ und wurde in sämtlichen Hollywoodproduktionen verwendet. Star Wars, Indiana Jones, Der Herr der Ringe, Aladdin, Stirb Langsam, Star Trek… Die Liste ist endlos. Mittlerweile wird der Effekt aber eher mit einem Augenzwinkern verwendet, sozusagen eine Hommage an die Kunst der Soundeffekte.
Howie und Diddy
Der Wilhelmsschrei ist aber nicht der Einzige seiner Art. Es gibt eine ganze Reihe weiterer Stock-Soundeffekte, die durch ihre Beliebtheit bei Filmemachern zu einem gewissen Ruhm gekommen sind.
Ein weiterer Spitzenreiter in der Kategorie Schrei ist der sogenannte „Howieschrei“. Dieser hat seinen Namen von dem von Howie Long portraitierten Charakter im Film Broken Arrow.
Wie beim seinem berühmteren Bruder ist dieser Film aber auch nicht der Urheber des Schreis, sondern der 80er Streifen The Ninth Configuration. Ja, es ist verwirrend. Und ja, der Schrei klingt irgendwie wie ein TIE Fighter aus Star Wars.
Da wir uns ja für Vielseitigkeit bemühen, hier noch ein Beispiel, was quasi das Gegenteil ist: Die Diddy-Lache. Ursprünglich aus dem Nintendo-Spiel Donkey Kong Racing.
Sie wird in einer häufig verwendeten digitalen Bibliothek gehostet und die Editoren von Film- und TV-Produktionen benutzen sie oft, um Szenen zu untermalen, in denen Kinder lachen, aber nicht besonders scharf oder authentisch klingen müssen.
Läuft dann meistens irgendwo im Hintergrund und wird kaum wahrgenommen. Das Soundeffekt-Äquivalent zu Fahrstuhlmusik quasi.
Wir könnten jetzt noch ewig weitere Beispiele wie das Donnergrollen aus Frankenstein oder das Universal-Telefonklingeln ausbuddeln, aber vermutlich reicht das erstmal, um den Status der Sounds über deren Qualität zu stellen. Aber spätestens ab jetzt wirst du Film mit ganz anderen Ohren sääääh…hören.